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Fachtag – Religiöse Vielfalt und Zusammenhalt in der Schule gestalten

Am Dienstag, den 21. Juni 2022 veranstaltete die Eugen-Biser-Stiftung im Rahmen des Projekts Vielfalt.Gemeinsam.Lernen. den Fachtag „Religiöse Vielfalt und Zusammenhalt in der Schule gestalten" im Münchner Kolpinghaus. Das Programm richtete sich an bildungspolitische und (religions-)pädagogische Multiplikator* innen, an Verantwortungs- und Entscheidungsträger*innen im Bereich der interreligiösen Demokratiebildung sowie an interessierte Fach- und Lehrkräfte an weiterführenden Schulen.

Religiöse Vielfalt als Chance für Schulen

von Beate Laurenti (KNA)

Schulen sind ein Abbild der Gesellschaft: Vielfältig und interkulturell. Die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen wurden auf einer Fachtagung der Eugen-Biser-Stifung diskutiert. Das Gelingen hängt maßgeblich von der Haltung der Lehrkräfte ab.

München (KNA)

Bunt, divers und interreligiös. „So sieht die Welt von morgen aus", sagte die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Simone Fleischmann, auf einer Tagung in München zum Thema „Religiöse Vielfalt und Zusammenhalt in der Schule gestalten" (21. Juni). Dazu eingeladen hatte die Eugen-Biser-Stiftung. Dieses Bild einer pluralen Gesellschaft zeichnet sich längst an den Schulen ab. Einer Statistik des Bayerischen Kultusstaatsministeriums zufolge waren im Jahr 2020/2021 schulartübergreifend weniger als die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen katholisch (48 Prozent). 20 Prozent gehörten dem protestantischen, 10 Prozent dem islamischen und 3 Prozent dem orthodoxen Glauben an. Und 16 Prozent waren konfessionslos. Auch mit Blick auf den russischen Angriffskrieg und zunehmende Migrationsbewegungen stehen vor allem Bildungseinrichtungen vor der Aufgabe, die wachsende sozio-kulturelle und religiöse Heterogenität zu bewältigen.

2022

Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV)

Konkret bedeutet das laut dem stellvertretenden Vorsitzenden der Stiftung, Stefan Zinsmeister, interreligiöses Lernen mit politischer Bildung zu verbinden. Die Kinder und Jugendlichen seien von unterschiedlichen Wertvorstellungen und Kulturen geprägt. Es gelte, aus diesen Differenzen Potenzial zu schöpfen und dadurch einen Beitrag zur Demokratiebildung zu leisten. Einen wertungsfreien Austausch zu fördern, sei einer der größten Herausforderungen an dem Mikrokosmos Schule. Das gelinge vor allem außerhalb des Religionsunterrichts, sagte Bildungsreferentin Selcen Güzel von der Biser-Stiftung. Oft fehle es den Lehrkräften jedoch an Handwerk, Wissen und Kompetenz. Interreligiöse Gottesdienste oder Schulfeste seien prädestiniert für kulturelle Integration, scheiterten jedoch oft an einfachen Fragen wie „Darf ein islamisches Gebet auch ohne Imam gesprochen werden?". Güzel selbst ist Teil eines Trialogischen jüdisch-christlichen-muslimischen Teams. Im Rahmen eines Fortbildungsprojekts in Bayern sollen Lehrkräfte an Mittelschulen genau für solche Fragen sensibilisiert werden. „Wenn sich in der Gesellschaft etwas verändert, entsteht daraus sofort ein Auftrag für die Schule", erklärte Fleischmann, die lange selbst eine Grund- und Mittelschule leitete. Hier liege das Problem. Viele Lehrkräfte fühlten sich überfordert, weil sie gesellschaftliche Tendenzen schnell aufgreifen und Probleme behandeln müssten. Dafür brauche es Schulungen. Mit welchen Themen Schülerinnen und Schüler in Kontakt kommen, bestimmen laut der Rabbinerin Esther Jonas-Märtin nach wie vor die Medien. Ganz gleich, ob es sich um Online-Angebote oder Kioske mit Zeitungsständern handle. Das antisemitische Kunstwerk auf der Documenta in Kassel oder eine kürzlich erschienene Ausgabe des Magazins „Der Spiegel" mit einem antisemitischen Cover zum Festjahr 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland seien nur zwei Beispiele von vielen. Sie bedienten Stereotypen und schürten Ressentiments. Nach Ansicht der bayerischen Integrationsbeauftragten Gudrun Brendel-Fischer (CSU) müssen Lehrkräfte auch für Diskriminierung sensibilisiert werden. Rassismus werde oft als solcher nicht erkannt.

Für die evangelische Theologin Elisabeth Naurath bedeutet Religiös-Sein heutzutage auch Interreligiosität: sich also anderen Religionen in einer „reizvollen Entdeckungsreise" zuzuwenden und anderen andere Standpunkte zuzugestehen. Das gelte für Lehrkräfte ebenso wie für Schülerinnen und Schüler. „Es darf gestritten werden", betonte Naurath. Religiöse Sprachfähigkeit meine auch, nachvollziehen und nachfühlen zu können, warum sich Menschen Sinnfragen stellten und zu einer Weltdeutung mit Gott kämen. Der wissenschaftliche Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland, Doron Kiesel, möchte das Grundgesetz wieder mehr in den Schulalltag integriert wissen. „In seiner Vielfalt bietet es orientierende Richtlinien, die deutlich machen, wie ich religiöse Überzeugungen leben kann, ohne andere einzuschränken." Das Wissen um religiöse Tradition müsse gestärkt werden, auch um zu verhindern, dass Kinder sich wegen Ressentiments zurückzögen. „Das Hauptproblem sind nicht die Schüler, sondern das Lehrpersonal", sagte Kiesel. Es müsse eine multireligiöse Gesellschaft akzeptieren. „Dieser Prozess ist irreversibel, das wird sich nicht mehr ändern." Dass Schulen kein religionsfreier Raum seien, betonte auch der Leiter des Schulreferats der Erzdiözese Bamberg, Thomas Ohlwerter. Religion dürfe nicht als Problem, sondern müsse vielmehr als Ressource wahrgenommen werden. Sie stärke das Vertrauen, neue Wege zu bestreiten, und gebe Halt. Das sei gerade in diesem Alter wichtig. Fleischmann betonte die Rolle der Lehrkräfte. „Wir brauchen jetzt im Lehrerzimmer so viele Kulturen und Weltanschauungen wie möglich", so die BLLV-Präsidentin. Das sei die Voraussetzung für interreligiösen Dialog, der dann mit Schülerinnen und Schülern fortgesetzt werden könne. „Religion ist ein wichtiger Teil der Gesellschaft, wir sollten keine Chance verpassen, sie in den Schulen zu thematisieren."

Die Eugen-Biser-Stiftung hat sich nicht nur der Pflege des Nachlasses und Ansehens ihres Namensgebers verschrieben. Seit mehreren Jahren fördert sie wissenschaftliche Studien und interkulturelle Bildungsprojekte mit christlicher, jüdischer und muslimischer Beteiligung. In Bayern berät sie Kommunen und Verbände in Fragen muslimischen Lebens.

Für die Erlaubnis zum Abbdruck bedanken wir uns bei Beate Laurentin (KNA)